

Good to know
Für alle, die mehr in die Thematik eintauchen wollen gibt es hier die Basics zu den Punkten Vorsorge, Geschichte der Verbrennungsmedizin, Verbrennungsmedizin heute, die Verbrennungswunde an sich und deren Epidemiologie.
Vorsorge
Bei mehr Gefahrenbewußtsein ließe sich so mancher Brandunfall vermeiden. Betriebliche Schutzmaßnahmen haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich positiv bemerkbar gemacht. Nur noch ein Drittel unserer Verletzten wird vom Arbeitsplatz aus eingeliefert. Durch unser hervorragendes Rettungswesen und ein dicht geknüpftes Netz von Spezialeinrichtungen kann heute jede*r Bürger*in mit einer schweren Brandverletzung damit rechnen, nach modernsten Gesichtspunkten auf internationalem Niveau behandelt zu werden. Eine interdisziplinäre Behandlungsgruppe unter Leitung der plastischen Chirurgie bietet die Gewähr für eine optimale Primärbehandlung und Wiederherstellung. Spezialist*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeiten im Rahmen der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungen zusammen und tauschen ihre Erfahrungen aus. Eine Reihe von Forschungsprojekten zielt darauf ab, noch bestehende Probleme zu lösen und die Behandlungsergebnisse weiter zu verbessern.
Die Verbrennungswunde
Die Haut ist die Grenze des Körpers zur Umwelt. Sie setzt sich aus der Oberhaut (Epidermis), der Lederhaut (Corium) und der Unterhaut (Subkutis) zusammen. Wird die Haut über einen kritischen Wert hinaus erhitzt, kommt es zur Verbrennung dieses Gewebes. Der Grad der Verbrennung richtet sich im wesentlichen nach der Höhe der Temperatur, der Dauer der Einwirkung und der Leitfähigkeit des Gewebes. Die Pathophysiologie der Verbrennungserkrankung ist charakterisiert durch: *ein generalisiertes Ödem *durch vermehrte Durchlässigkeit der Blutgefäße *während der ersten 24 – 36 Stunden *degenerative Vorgänge im Bereich der Verbrennungswunde *die Wundinfektion bei verminderter Abwehr *die Steigerung des Energiestoffwechsels bei erhöhtem Energiebedarf *Komplikationen im Bereich lebenswichtiger Organe wie z.B. der Lungen oder der Nieren. Charakteristisch für Verbrennungswunden sind drei wesentliche Merkmale: *Schädigung der Blutkapillaren; dies führt zu einem exzessiven Plasmaverlust, der wiederum einen Verbrennungsschock auslösen kann. *Totes Gewebe, das den idealen Nährboden für Bakterien bildet. *Ausdehnung der Wunde über ein großes Körperareal, das eine ungeschützte, großflächige Öffnung für eine invasive Infektion bietet. Histomorphologisch lassen sich bei Verbrennungen drei Zonen unterscheiden. Im Zentrum des Geschehens steht die Nekrosezone. Daran angrenzend folgt die Zone der Stase, die in eine Zone der Hyperämie übergeht. In der Stasezone herrscht eine verbrennungsbedingte Kapillarschädigung, die zu einer vermehrten Gefäßdurchlässigkeit führt. Bestandteile des Blutes, die normalerweise die Gefäßwand nicht durchdringen, können jetzt in das umliegende Gewebe austreten. Die Folge ist das sogenannte Verbrennungsödem. Dieser Prozeß führt bei schweren Verbrennungen zum hypovolämischen Schock. Die entzündliche Reaktion der Verbrennungswunde ist charakterisiert durch: *lokale Überwärmung *Rötung *Schwellung *Schmerzzustand *Funktionsverlust. Bei diesem Vorgang wirken vielfältige Entzündungsmediatoren zusammen. Allerdings ist bis heute noch ungeklärt, wie dieser Entzündungsprozeß in Gang gesetzt wird und wie diese verschiedenen Mediatoren letztendlich zusammenwirken. Bei umfangreichen thermalen Schädigungen kommt es über das lokale Ödem hinaus zu einem generalisierten Ödem, von dem auch der Magen-Darm-Trakt betroffen ist.
Geschichte der Verbrennungsmedizin
»Man pflegt anzunehmen, dass, wenn zwei Drittheile der Körperoberfläche auch nur im ersten Grade verbrannt sind, der Tod ziemlich schnell eintritt …« schrieb Theodor Billroth 1876. Bei Erich Lexer ist im Lehrbuch der Chirurgie aus dem Jahre 1952 zu lesen, dass jede Verbrennung von 50% der Körperoberfläche fast immer zum Tode führt, und eine Veröffentlichung von 1964 berichtet, dass Verbrennungen von über 70% der Körperoberfläche nur selten überlebt werden. Das Überleben ausgedehnter schwerer Verbrennungen ist ein Geschenk der jüngsten Vergangenheit. In der Therapie der Verbrennungskrankheit werden heute durch die bessere Beherrschung des Schockgeschehens, die verbesserte Intensivbehandlung besonders in den ersten drei Tagen, die apparative Medizin und nicht zuletzt durch die frühzeitige Nekrektomie extreme Weichen gestellt. Verbrennungen gibt es wahrscheinlich schon seit Menschengedenken. Für die lokale Behandlung von Verbrennungen haben alle Völker und Kulturen jahrhundertelang die verschiedensten Mittel verwendet. Im ägyptischen Papyrus Ebers (1550 v. Chr.) findet man ein Rezept aus schwarzem Schlamm und gekochtem Kuhdung, mit dem man Verbrennungen am ersten Tag behandeln soll, in den folgenden Tagen dann mit verschiedenen Salben, die meist Tierdung und tierische Fette enthielten. Schon in der arabischen Medizin wurden die Vorzüge von Kälteanwendungen nach Verbrennungen gerühmt. Diese auch heute noch praktizierte Maßnahme erlebte an der Schwelle zur Neuzeit durch den Engländer James Earle (1755–1817) besondere Bedeutung. 1799 erschien Earles Veröffentlichung, in der er zahlreiche Fälle einer erfolgreichen Behandlung von Verbrennungen mit Eis als Antidot beschrieb. Andere Ärzte vergangener Jahrhunderte – so auch der große Chirurg Ambroise Pare (1510–1590) – vertraten dagegen die Auffassung, Brandwunden müßten durch Hitze ausgebrannt werden. 1607 erschien in Basel das erste Buch, in dem ausschließlich Verbrennungen behandelt wurden unter dem Titel »De Combustionibus«. Der Autor Fabricius Hildanus (1560–1634) fügte zwar nichts zu der bestehenden Therapie hinzu, doch beschrieb Hildanus als erster drei verschiedene Grade von Verbrennungen. In diesem Buch befinden sich zwei interessante Abbildungen über die Behandlung einer Narbenkontraktur bei einem Kind zusammen mit einer ausführlichen Beschreibung. Ein halbes Jahr nach der Verletzung inzidierte Hildanus diese Narben und beseitigte die Deformation mit Hilfe von Fingerhüten aus Leder. »Und mit göttlicher Hilfe wurde die Hand wieder völlig hergestellt…« Das »Burn House« der Royal Infirmary am Surgeons Square in Edinburgh war das erste Spital für Brandverletzte. 1850 wurde es auf Betreiben des berühmten Chirurgen James Syme (1799–1870) dazu bestimmt. Über die Motive, die Syme zu diesem Entschluß veranlaßten, kann man nur spekulieren. War es die Geruchsbelästigung durch die verbrannten Patient*innen oder entschloß er sich zu diesem Schritt, weil auch ein SpitaI, wie alle Krankenhäuser jener Zeit, mit Septikämie und Erysipel geplagt war? Den Zusammenhang zwischen der Natur und der Behandlung von Infektionen sollte jedoch erst Symes berühmter Schwiegersohn, Joseph Lister (1827–1912), aufklären. Bis an die Schwelle unseres Jahrhunderts wurden in der Verbrennungsbehandlung kaum Fortschritte erzielt. Einzig erwähnenswert ist die von W.T. Copeland aus Alabama 1887 erstmals propagierte offene Behandlungsmethode und das »Dauerbad« des Wiener Dermatologen Ferdinand von Hebra (1816–1880). Im 19. Jahrhundert findet man weder in Lehrbüchern noch in Zeitschriften irgend etwas über die Verbrennungsphysiologie oder die systemische Allgemeinbehandlung. Über die Ursachen des raschen Todes nach Verbrennungen tappte man völlig im Dunkeln. Die verschiedensten Hypothesen wurden diskutiert. So vermutete man, daß eine gleichzeitige Reizung fast aller Nervenendigungen durch die Verbrennung zu einer Überreizung des zentralen Nervensystems und schließlich zur Paralyse führe. Auch eine tödliche Blutvergiftung des Organismus infolge der aufgehobenen Hauttranspiration oder intensive phlogistische oder septische Intoxikationen wurden als Todesursache diskutiert. Interessanterweise hatte bereits der Franzose Giullaume G. Dupuytren (1777–1835) bei der Sektion von Brandopfern eine Blutfülle in den Organen beobachtet, was ihn allerdings zu der irrigentherapeutischen Konsequenz verleitete, bei Verbrennungen Aderlässe und Diuretika zu verordnen. Erst 1862 kam von H. Baraduc aus Paris die Anregung, Brandopfern reichlich Getränke zu geben, denn er hatte eine erhöhte Blutviskosität nach Verbrennungen beobachtet. Die Pioniere der systemischen Behandlung des Verbrennungsschocks waren Reiss (1880) und der italienische Dermatologe Tommasoli (1892), die ihren Patient*innen Salzinfusionen verabreichten. Die 1905 erschienene, hervorragende Arbeit »The Treatment of Burns and Skin Grafting« von Haldor Sneve aus St. Paul gilt mit Recht als die erste moderne Abhandlung über die Behandlung der Verbrennungskrankheit. Sie enthält bereits die wichtigsten therapeutischen Maßnahmen wie Schockbehandlung, Schmerzbekämpfung, Sauberhalten von Verbrennungswunden und frühzeitige Durchführung von Hauttransplantationen. Erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts rückte die Schockbehandlung in den Mittelpunkt der Therapie. 1925 berichtete E. C. Davidson über die erfolgreiche Anwendung von Gerbsäure nach Verbrennungen. Die Tannin-Gerbung beherrschte das Feld bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, bis man ihr – fälschlicherweise – Leberzellnekrosen zur Last legte. Neuerliche Beachtung erhielt die offene Behandlung erstmals 1947 durch die Veröffentlichung von Alistar B.Wallace aus Edinburgh, der auch die heute noch herangezogene Neunerregel zur Bestimmung des Verbrennungsausmaßes entwickelt hatte (s. auch Seite 10). Ein internationaler Meinungsaustausch von Spezialisten auf dem Verbrennungsgebiet setzte ab 1950 ein. Diese Zusammenkünfte führten zu einer allmählichen Standardisierung der Behandlung. 1952 entwickelte Evans dann eine Formel für den Flüssigkeitsersatz, die sich an der verbrannten Körperoberfläche und dem Körpergewicht orientierte. Im Zuge dieser Fortschritte wurden nach und nach weltweit Verbrennungszentren eingerichtet und spezielle Verfahren für die Rettung von Brandopfern erarbeitet. In den achtziger Jahren war dann die wohl aufregendste Perspektive für Brandopfer bis zur Klinikreife entwickelt - der Hautersatz mit in vitro gezüchteter Eigenhaut. Neu war der Gedanke einer In-vitro-Simulation der Wundheilung jedoch keineswegs. Bereits 1914 war es K. Kreibisch gelungen, einen Vollhautlappen auf Festagar zu kultivieren. Doch sollten noch 34 Jahre verstreichen, bis die erste Replantation von kultivierter Haut, wenngleich auch nur beim Tier, glückte. 1950 konnte man dann tierexperimentell die ersten reinen Epidermistransplantate herstellen. Mitte der sechziger Jahre stellte sich jedoch heraus, daß Epidermiszellen in vitro nur eine begrenzte Teilungsfähigkeit haben. Ein Stillstand schien eingetreten zu sein.
Epidemiologie
In der Bundesrepublik Deutschland wurde bisher von schätzungsweise 16.000 schweren Brandverletzungen pro Jahr ausgegangen, von denen ca. 1.800 einer Intensivbehandlung zugeführt werden mussten. Die epidemiologischen Daten werden bis heute noch nicht zentral erfasst. Die deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungen hat sich dieses Problems angenommen und erfasst jährlich die Daten der meisten Verbrennungszentren in Deutschland, zunehmend auch von Zentren in Österreich und der Schweiz. Nach Daten des National Burn Information Exchange aus den USA zeigt die Gesamt-Überlebensrate eine ansteigende Tendenz, und die Hospitalisierungszeit konnte deutlich gesenkt werden. Untersuchungen an etwa 38.000 Patient*innen führten zu dem Ergebnis, dass der möglichst rasche Wundverschluss durch operative Maßnahmen u. a. Faktoren dafür sind, dass die Gesamt-Überlebensrate so deutlich angehoben werden konnte. In unserem Zentrum für Brandverletzte wurden in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 120 intensivbehandlungspflichtige Patient*innen versorgt. Etwa 30% dieser Patient*innen erleiden Arbeits- und Wegeunfälle, die übrigen Unfälle ereignen sich hauptsächlich im häuslichen Bereich. Acht Prozent der Patient*innen verübten einen gesicherten Suizid. Die durchschnittliche Verweildauer auf der Intensivstation liegt in diesem Gesamtkollektiv bei 16 – 17 Tagen. Der Großraum München macht etwa 50% des Einzugsgebietes aus, nahezu 30% der Patient*innen kommen aus dem Großraum Bayern, und die restlichen aus den übrigen Bundesländern sowie aus dem Ausland.
Verbrennungsmedizin heute
Die Verbrennungsmedizin änderte sich 1975 mit einem Schlag durch die aufsehenerregende Arbeit von Rheinwald und Green, die erstmals über mehrere Passagen von Hautkulturen berichteten. Für diesen enormen Fortschritt dürfte der inzwischen entdeckte epitheliale Wachstumsfaktor (EGF), den Rheinwald und Green in ihrem Medium einsetzten, keine geringe Rolle gespielt haben. Mit dieser Methode gelang es bereits vereinzelt, 70% bis sogar 80% verbrannter Haut von Patient*innen zu ersetzen. Diese vielversprechenden Resultate dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß derartige Replantationen auch heute noch mit einer großen Problematik behaftet sind. Nach wie vor gibt es keinen idealen temporären Hautersatz, der erst die Voraussetzungen für eine ungehinderte Einheilung von Epidermis-Transplantaten nach Brandverletzungen schafft. Noch fehlen diesen Transplantaten wichtige Hautanhangsgebilde wie Schweißdrüsen und Haarfollikel. Die Zukunft wird zeigen, auf welche Weise die Forschung diese Herausforderung bewältigen wird. Der Übergang nach der Erstversorgung eines*r brandverletzten Patient*in zur plastischen Wiederherstellung ist fließend und beginnt schon in den ersten Tagen nach dem Unfall. Die Betreuung eines*r Schwerbrandverletzten rund um die Uhr erfordert ein hohes Maß an körperlichem, geistigem und seelischem Einsatz seitens der betreuenden Ärzt*innen, Pflegekräfte, Physio- und Ergotherapeut*innen und Psycholog*innen. Der personelle, räumliche, apparative, organisatorische und finanzielle Aufwand übersteigt den einer normalen Intensivstation um das Vier- bis Fünffache. Wochen bis Monate vergehen, bis ein*e Brandverletzte*r nach Hause entlassen werden kann oder an den Arbeitsplatz zurückkehrt. Narbenkontrakturen zwingen gelegentlich auch Jahre danach noch zu wiederherstellenden Operationen. Trotz optimaler Behandlung verbleiben Dauerschäden und sichtbare Spuren bis hin zur Entstellung.
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